Lohengrin
Entstehung
Richard Wagner war Hofkapellmeister des Königs von Sachsen, hatte gerade den Tannhäuser vollendet und beschlossen, vor der geplanten Inszenierung noch seine Gesundheit etwas zu stabilisieren. Zu diesem Zwecke trat er mit seiner Frau Minna vom 3.7. – 9.8.1845 eine Kur im böhmischen Marienbad an. Ein Unterleibsleiden quälte ihn schon geraume Zeit.
Er hatte sich eine gemächliche Lebensweise vorgenommen und las – nur nebenbei – „Titurel“ und „Parzival“ und das anonyme „Lohengrin“-Epos mit der Einleitung von J. Görres.
Seinem Hausarzt, Dr. Pusinelli, schrieb er von dort: Ein solches Lulei-Leben wie hier habe ich noch nie geführt! Sein behandelnder Arzt in Marienbad riet ihm dringend von einer künstlerischen Betätigung ab, da dies dem Ziel der Kur abträglich sein würde …. Trotzdem klagte W.: Ich kann mich hier nicht genug zerstreuen, denn immer schon gehen mir Entwürfe zu einer neuen Oper so lebhaft im Kopfe herum, daß ich mich nur mit aller Gewalt davon abziehen kann. Und an seinen Bruder Albert: Mein Kopf hat seine Rastlosigkeit aber nicht verlieren wollen und so habe ich denn gestern das Niederschreiben eines sehr ausführlichen, vollständigen Planes zum Lohengrin beendigt, der mir große Freude macht, ja, ich gestehe es frei, mit stolzem Behagen erfüllt. Du weißt, welche Sorge mich manchmal beschlich, nach dem Tannhäuser keinen Stoff wieder zu finden, der ihm an Wärme und Eigenthümlichkeit gleichkomme: – je näher ich mich nun aber mit meinem neuen Stoff vertraut machte, je inniger ich die Idee erfaßte, desto reicher und üppiger ging mir dessen Kern auf und entfaltete sich zu einer so vollen, schwellenden Blume, daß ich mich in ihrem Besitze wahrhaft glücklich fühle. Meine Erfindung und Gestaltung hat bei dieser Schöpfung den größten Antheil: das altdeutsche Gedicht, welches uns diese hochpoetische Sage bewahrt hat, ist das dürftigste und platteste, was in dieser Art auf uns gekommen ist, und ich fühle mich in der Befriedigung des Reizes sehr glücklich, die fast ganz unkenntlich gewordene Sage aus dem Schutt und Moder der schlechten, prosaischen Behandlung des alten Dichters erlöst und durch eigene Erfindung und Nachgestaltung sie wieder zu ihrem reichen, hochpoetischen Werthe gebracht zu haben.
Nachdem die Dichtung am 27.11.1845 vollendet wurde, las ich dieses Gedicht meinen Hausfreunden, bald auch dem Hillerschen Kränzchen vor, wobei besonders der tragische Schluß – nämlich das konsequente Scheiden Lohengrins – merkwürdige Reaktionen auslöste. Das soll jedoch in einem weiteren Aufsatze zur Sprache kommen.
Jetzt sollte eigentlich die Vertonung des Gedichtes erfolgen, dies gestaltete sich aber schwierig … an die Entwerfung der Musik zu demselben konnte ich zunächst noch nicht denken. Die Gunst der harmonischen Gemütsruhe, wie ich sie zum Komponieren stets bedurfte, und stets unter großen Drangsalen mir zu gewinnen suchen musste, hatte ich auch jetzt erst noch meinem Schicksale unter höchsten Beschwerden abzuringen.
Das Kapellmeisteramt, das W. innehatte, offenbarte ihm in aller Deutlichkeit die Trostlosigkeit der Zustände auf den dt. Bühnen. Auch die Erfahrungen mit der kürzlich erfolgten Aufführung des Tannhäuser erfüllten ihn mit wenig Hoffnung für alle Zukunft seines Kunstwirkens. Er schreibt dazu: … nach einem der widerlichsten Winter meines Lebens. Neid, Bosheit, Albernheit – und tödliche Langsamkeit in der Verbreitung meiner Wirksamkeit nach Außen waren die Feinde, mit denen ich täglich jenen abscheulichen Kampf zu bestehen hatte, in dem der Angegriffene sich nur mit größter, rücksichtsvollster Mäßigung zu verteidigen bedacht sein muss, während er so deutlich fühlt, daß er die Kraft besitzt, ganz unverdeckt und mit lauter Stimme siegen zu können.
Hinzu kam, daß seine bürgerliche Lage in das höchst bedenkliche Stadium getreten, welches eine Katastrophe unvermeidlich herbeiführen musste. Er hatte nämlich, um die Verbreitung seiner Opern voranzutreiben, „Rienzi“, „Der Fliegende Holländer“ und den „Tannhäuser“ als Schmuckausgabe auf eigene Kosten herausgeben lassen und sich dadurch hoffnungslos verschuldet. Da seine Lage allmählich in seinem Umfeld bekannt wurde, kam es zur Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten, Hr. Lüttichau. W. musste seine Schilden offenlegen und erhielt zur Tilgung dieser einen Kredit mit 5%iger Verzinsung mit monatl. Lohnabzug.
Er handelte mit Lüttichau, einen dreimonatlichen Urlaub vom Kapellmeisteramt aus und begab sich … auf ein Dorfe, drei Stunden von Dresden…in einer der reizendsten und mannigfaltigsten Gegenden vor der Sächsischen Schweiz.
Hier in Groß Graupa erstellte er vom 15.5. – 30.7.1846 die Kompositionsskizze …und fing wieder an, als Mensch und Künstler aufzuatmen.
Mit dieser Ausbeute kehrte ich im August nach Dresden zu meinen bereits immer lästiger mir werdenden Kapellmeisterfunktionen zurück. Außerdem aber geriet ich sogleich auch wieder in das Geleise der kaum einigermaßen beschwichtigten Sorgen. Der Betrieb des Verlages meiner Opern, in dessen endlichem Erfolge ich doch immer nur noch die einzige Möglichkeit einer gründlichen Befreiung von jenem Drucke zu ersehen hatte, erforderte, um eben hierfür tauglich zu werden, stets wieder neue Opfer. Da nun selbst die geringsten Anstrengungen hierfür bei meinem nun sehr geschmälerten Einkommen mich notwendig neuen und immer peinlicheren Verwirrungen zuführen mussten, so sank mir bald von neuem aller Lebensmut.
Dagegen suchte ich mich einzig durch energische Aufnahme der Arbeit am „Lohengrin“ zu erkräftigen. Hierbei geriet ich auf ein sonst nie wieder von mir befolgtes Verfahren; ich führte nämlich den dritten Akt zuerst aus … Er begann am 9.9.1846 mit der Orchesterskizze, gelangte jedoch vorerst nur bis zur Mitte der Szene im Brautgemach, wo er von beruflichen Verpflichtungen eingenommen wurde, konnte den Akt aber zum Ende des Winters 1846/47 abschließen. Mit dem letzten Sommermonat August war die Komposition der restlichen beiden Akte auch vollendet.
Schließlich, mit Beginn der revolutionären Unruhen, beendete Wagner in den letzten Tagen des März 1848 noch die Instrumentierung und schloß die Partitur offiziell am 28.4.1848 ab.