Lohengrin
Sage - Loherangrin
Loherangrin
Loherangrin, Parzivals Sproß,
Erwuchs in Schönheit und in Kraft,
Und übte ruhmreiche Ritterschaft,
Im Dienst des Grals als Gralsgenoß.
Vernehmt, was sich darauf begeben:
Es herrscht‘ im Lande zu Brabant
Eine Frau von würdereichem Leben,
Großem Reichthum und hohem Stand.
Von rechter Keuschheit in der Liebe
Sind fremd ihr niedre menschliche Triebe.
Es warben werthe Männer genug,
Von denen mancher Krone trug,
Und hohe Fürsten um ihre Hand.
Doch ihre Demuth war so groß,
Daß jeder Werbung sie widerstand.
Denn der nur sollte ihr Genoß —
So sprach sie — seyn, der ihr gesandt
Als Gatte werde von Gottes Hand.
Viele Grafen des Landes fingen
Schon murrend an, die Reine zu hassen,
Und Feinde wider sie zu dingen,
Weil nicht Entschluß sie wolle fassen,
Und zaud’re, daß sie sich vermähle,
Wiewohl ein Haupt dem Reiche fehle.
Doch was ihr Böses auch geschah —
Vertrauend und ergeben sah
Auf Gott sie nur, und duldete,
Was sie nicht verschuldete.
In Bedrängniß endlich mehr gebracht,
Ward ein Hoftag von ihr angesagt,
Und es kamen von nah und fern
Nach Antwerpen des Landes Herrn
Und Fürsten. Als sich dort vereint
Befinden Alle, da erscheint
Auf einem Schifflein durch die Wogen
Von einem Schwan dahergezogen
Ein Ritter, stattlich anzusehn,
Von edlem Sinne männlich, schön,
Höfisch, von keuscher Zucht und weise.
Es war von Montsalvas die Reise
Ihm anbefohlen durch den Gral.
Der Hof, und Volk in großer Zahl
Sieht an das Wunder von dem Strand.
Jedoch die Fürstin von Brabant
Erkennt sogleich: er sei es, den
Ihr zum Gemahl Gott auserseh’n.
Er, so mit Auszeichnung empfangen,
Als er vernahm der Frau Verlangen,
Sprach aber laut, daß All‘ am Ort
Es deutlich hörten, solches Wort:
„Soll ich des Landes Krone tragen,
Ist Eins zuvor mir zuzusagen:
Nie sollt ihr fragen, wer ich sei;
Denn dann nur darf ich hier verweilen.
Erlaubt ihr euch die Frage frei,
Dürft meine Lieb‘ ihr nicht mehr theilen.
Seid denn gewarnt! Mich warnet Gott.
Er weiß den Grund von dem Gebot.“
Die Frau versprach mit ganzer Treu,
Daß immer vor der Frage Scheu
Sie wolle tragen und vertreten,
Um das er mahnend ernst gebeten.
Nachts ward das Beilager gefeiert,
Und er am Morgen ausgesteuert
Mit der Krone von Brabant.
Die Hochzeit wird mit Pracht begangen,
Und die Fürsten und Baron‘ empfangen
Ihr Lehen von seiner Hand.
Ein gerechter Richter seines Landes,
Eine Zier des Ritterstandes
Regiert‘ er segensreich und kräftig,
Nur für des Reiches Wohl geschäftig.
Aus ihrer hochbeglückten Ehe
Wurden schöne Kinder geboren;
Jedoch der Freude folgte Wehe.
Wie sie gewonnen, ward sie verloren.
Noch gibt es Leute in Brabant,
Die wissen wohl von diesen Beiden,
Und denen wohl noch ist bekannt
Sein Empfang, so wie sein Scheiden,
Und wie lang‘ er dort geblieben:
Bis daß die Frag‘ ihn hat vertrieben.
Wieder durch der Fluten Bahn
Schwamm daher sein Freund, der Schwan,
Und führte auf dem Schifflein fern‘
(Man wußte nicht wohin?) den Herrn.
Zurück doch ließ er, als er ging,
Ein Schwert, ein Horn und einen Ring.
So schied Loherangrin von Brabant;
Denn er war’s, den der Gral gesandt
Nach diesem Reich, Sohn Parzivals.
Heim kehrt‘ er wieder zur Pflege des Grals. —
Weshalb ward dem guten Weib entrafft
Des süßen Freundes Genossenschaft?
Er widerrieth die Frag‘ ihr eh‘,
Als kommend er entstieg der See.
San-Marte