Lohengrin
Gedanken zum Vorspiel
Als Einleitung für sein Drama wählte sich der Tondichter des „Lohengrin“ die wunderwirkende Darniederkunft des Grals im Geleite der Engelschar zum Gegenstande einer Darstellung in Tönen. Dem verzückten Blicke höchster, überirdischer Liebessehnsucht scheint im Beginne sich der klarste, blaue Himmelsäther zu einer wundervollen, kaum wahrnehmbaren und doch das Gesicht zauberhaft ein-nehmenden Erscheinung zu verdichten; in unendlich zarten Linien zeichnet sich mit allmählich wachsender Bestimmtheit die wunderspendende Engelschar ab, die, in ihrer Mitte das heilige Gefäß geleitend, aus lichten Höhen unmerklich sich herabsenkt. Wie die Erscheinung immer deutlicher sich kundgibt und immer ersichtlicher dem Erdentale zuschwebt, ergießen sich berauschend süße Düfte aus ihrem Schoße: entzückende Dünste wallen aus ihr wie goldenes Gewölk hernieder und nehmen die Sinne des Erstaunten bis in die innigste Tiefe des bebenden Herzens mit wunderbar heiliger Regung gefangen. Bald zuckt wonniger Schmerz, bald schauernd selige Lust in der Brust des Schauenden auf; in ihr schwellen alle erdrückenden Keime der Liebe, durch den belebenden Zauber der Erscheinung zu wundervollem Wachstume erweckt, mit unwiderstehlicher Macht an: wie sehr sie sich erweitert, will sie doch noch zerspringen vor der gewaltigen Sehnsucht, vor einem Hingebungsdrange, einem Auflösungstriebe, wie noch nie menschliche Herzen sie empfanden. Und doch schwelgt diese Empfindung wieder in höchster, beglückendster Wonne, als in immer traulicherer Nähe die göttliche Erscheinung vor den verklärten Sinnen sich ausbreitet, und als endlich das heilige Gefäß selbst in wundernackter Wirklichkeit entblößt und deutlich dem Blicke des Gewürdigten hingereicht wird; als der „Gral“ aus seinem göttlichen Inhalte weithin die Sonnenstrahlen erhabenster Liebe gleich dem Leuchten eines himmlischen Feuers, aussendet, so dass alle Herzen rings im Flammenglanze der ewigen Glut erbeben: da schwinden dem Schauenden die Sinne; er sinkt nieder in anbetender Vernichtung. Doch über den in Liebeswonne Verlorenen gießt der Gral nun seinen Segen aus, mit dem er ihn zu seinem Ritter weiht: die leuchtenden Flammen dämpfen sich zu immer milderem Glanze ab, der jetzt wie ein Atemhauch unsäglichster Wonne und Rührung sich über das Erdental verbreitet und des Anbetenden Brust mit nie geahnter Beseligung erfüllt. In keuscher Freude schwebt nun, lächelnd herabblickend, die Engelschar wieder zur Höhe: den Quell der Liebe, der auf Erden versiegt, führt sie von neuem der Welt zu; den „Gral“ ließ sie zurück in der Hut reiner Menschen, in deren Herzen sein Inhalt selbst segnend sich ergossen: und im hellsten Lichte des blauen Himmelsäthers verschwindet die hehre Schar, wie aus ihm sie zuvor sich genaht.