Tannhäuser

Entstehung

Schon in früher Jugendzeit, um 1829, fielen Richard Wagner im Alter von 16 Jahren beim Lesen in der Bibliothek seines Onkels Adolf zwei Werke in die Hände, die sich Jahre später als grundlegend für seinen „Tannhäuser“ erweisen sollten. Es waren dies: „Der getreue Eckart und der Tannhäuser“ von Ludwig Tieck, und „Kampf der Sänger“ aus den „Serapionsbrüdern“ von seinem schon damaligen absoluten Lieblingsschriftsteller E. T. A. Hoffmann. Der Boden in ihm war jedoch noch nicht bereitet, um den Stoff künstlerisch zu verwerten.

Erst im Jahre 1842 erfolgte eine neue Verknüpfung der Umstände, die ihn wieder mit dem Tannhäuser-Stoff verbinden sollte. Kurz vor der Abreise aus Paris, wo er knapp drei Jahre zubrachte, fiel ihm das deutsche Volksbuch vom „Tannhäuser“ in die Hände und ergriff ihn sofort auf das Heftigste.

An Karl Gaillard schrieb er:

Zu meiner nächste Oper habe ich die schöne u. so eigenthümliche Sage vom Tannhäuser gewählt, der im Venusberge verweilte u. dann zur Buße nach Rom zog; ich habe diese Sage in Verbindung mit dem Sängerkriege auf der Wartburg gebracht, wo Tannhäuser die Stelle des Heinrich v. Ofterdingen vertritt: durch diese Verbindung erhalte ich ein reiches dramatisches Leben.

Aus Deutschland kamen gute Nachrichten: in Dresden sollte „Rienzi“ aufgeführt werden und Berlin verlangte nach seinem letzten Werk, dem „Fliegenden Holländer“. Hoffnungsvoll und voller Inspirationen machte er sich also auf den Weg zurück in seine Heimat.

Die Reise nach Deutschland dauerte damals noch fünf Tage … an der deutschen Grenze bei Forbach gerieten wir in Schnee und rauhes Wetter, was uns nach dem bereits genossenen Pariser Frühlinge sehr unfreundlich anwehte. … Zur vollständigen Marter ward diese Ungunst der Witterung, als wir auf der Reise von Frankfurt nach Leipzig in den Strom der Meßreisenden gerieten, welche die Post um jene Zeit der Leipziger Ostermesse so stark in Anspruch nahmen, daß wir zwei Tage und eine Nacht über, bei unausgesetztem Sturm, Schnee und Regen, unaufhörlich die schlimmsten Beiwagen wechseln mußten, was diese Reise uns zu einem Abenteuer von fast ähnlicher Gattung, wie unsre frühere Seereise, gestaltete. Einen einzigen Lichtblick gewährte mir die Begegnung der Wartburg, an welcher wir in der einzigen sonnenhellen Stunde dieser Reise vorbeifuhren. Der Anblick des Bergschlosses, welches sich, wenn man von Fulda her kommt, längere Zeit bereits sehr vorteilhaft darstellt, regte mich ungemein warm an. Einen seitab von ihr gelegenen ferneren Bergrücken stempelte ich sogleich zum „Hörselberg“, und konstruierte mir so, in dem Tal dahinfahrend, die Szene zum dritten Akte meines „Tannhäuser“ …

Vor den Proben zur Aufführung des „Rienzi“ machte Wagner noch einen Ausflug nach Teplitz in das böhmische Gebirge und begann die Aufzeichnungen zum „Tannhäuser“ am 22.6.1842.

als ich mich in frühgewohnter Weise zu einer mehrtägigen Fußwanderung in das böhmische Gebirg aufmachte, um meinen Plan zum „Venusberg“ unter den angenehmen Eindrücken eines solchen Ausfluges in mir auszuarbeiten. Hierzu reizte es mich auf dem so romantisch gelegenen Schreckenstein bei Aussig, wo ich für mehrere Tage in dem kleinen Gastzimmer, in welchem des Nachts mir eine Streu aufgemacht wurde, mein Quartier nahm. Tägliche Besteigung der „Wostrai“, der höchsten Bergspitze der Umgegend, erfrischten mich, und die phantastische Einsamkeit regte meinen Jugendmut in der Art wieder auf, daß ich eine volle Mondnacht, in das bloße Bettuch gewickelt, auf den Ruinen des Schreckensteins herumkletterte, um mir so selbst zur fehlenden Gespenstererscheinung zu werden, wobei mich der Gedanke ergötzte, von irgend jemand mit Grausen wahrgenommen zu werden. Hier setzte ich denn nun in mein Taschenbuch den ausführlichen Plan zu einer dreiaktigen Oper der „Venusberg“ auf, welchem vollkommen getreu ich später die Dichtung ausführte. Bei einer Ersteigung der „Wostrai“ überraschte mich, beim Umbiegen um eine Talecke, die lustige Tanzweise, welche ein Hirt, auf einer Anhöhe gelagert, pfiff. Ich befand mich sogleich im Chor der Pilger, welche an dem Hirten vorbei durch das Tal ziehen, vermochte es aber in keiner Art, später die Weise des Hirten mir zurückzurufen, weshalb ich mir dafür auf die bekannte Art selbst zu helfen hatte.

Bevor ich an seine Ausführung gehen konnte, sollte ich mannigfaltig unterbrochen werden.

Die Zweitschrift der Prosaausführungen beendete er am 8. 7. 1842.

Am 7. April 1843 schrieb er an Samuel Lehrs, einen seiner Freunde in Paris, dass die Dichtung des „Venusberges“ fertiggestellt ist.

Der Titel des Werkes mußte später geändert werden, da der Verleger Probleme voraussah.

Nur gegen den Titel, welcher damals noch „Der Venusberg“ lautete, war Meser (sein Verleger) so vollständig eingenommen, daß er mir ihn auch wirklich ausredete: er behauptete, ich käme nicht unter das Publikum, und hörte nicht, wie man über diesen Titel die abscheulichsten Witze machte, welche namentlich von den Lehrern und Schülern der medizinischen Klinik in Dresden, wie er meinte, ausgehen müßten, da sie sich auf eine nur in diesem Bereich geläufigere Obszönität bezögen. Es genügte, eine so widrige Trivialität mir bezeichnet zu hören, um mich zu der gewünschten Änderung zu bewegen: ich fügte dem Namen meines Helden „Tannhäuser“ die Benennung desjenigen Sagenstoffes hinzu, welchen ich, ursprünglich der Tannhäuser-Mythe fremd, mit dieser in Verbindung gebracht hatte, woran leider später der so von mir geschätzte Sagen-Forscher und Erneuerer Simrock Ärger nahm.

Der Titel lautete jetzt also offiziell: „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“.

Nach dem 19. 7. 1843 begann Wagner mit der Komposition. Die Orchesterskizze für den 1. Aufzug schrieb er von Nov. ’43 – 17. 1. 1844.

Da er parallel dazu als Hofkapellmeister des Königs intensiv beschäftigt war und ihn auch noch die Herausgabe seiner zwei anderen Werke – Rienzi und der Holländer – sehr stark beanspruchte, musste er die Arbeit am „Tannhäuser“ für ca. 5 Monate unterbrechen.

Im Herbst 1844 nahm er dann 6 Wochen Urlaub und fuhr auf den Weinberg von Wilhelm Fischer, bei Dresden-Loschwitz. Fischer war an der Dresdener Hofoper als Chorleiter angestellt und Wagner zeitlebens ein treuer Freund. In dieser Zeit bis zum 15. Oktober schrieb er die Orchesterskizze für den 2. Aufzug.

Als wieder die Winterquartiere bezogen waren, suchte ich zwischen der Komposition des zweiten und dritten Aktes keine so lange Unterbrechung als ich sie zwischen den beiden ersten zu überstehen gehabt hatte, aufkommen zu lassen, und es gelang mir, trotz aufregender Beschäftigung namentlich unter Begünstigung des guten Einflusses sorgsam gepflegter einsamer Spaziergänge, die Musik auc des dritten Aktes am 29. Dezember 1844, noch vor Jahresschluß zu beendigen.

Nun musste alles noch instrumentiert werden und die Partitur hergestellt werden.

es gelang mir durch äußersten Fleiß, und durch Benutzung der frühesten Morgenstunden selbst im Winter, die bereits am Ende des vergangenen Jahres beendigte Komposition des „Tannhäuser“ bis im April auch schon in der Partitur auszuführen. Für die Niederschrift der Instrumentation hatte ich mir eine besondre Schwierigkeit dadurch bereitet, daß ich diese zum Zweck der Autographierung sogleich auf das hierzu nötige besonders präparierte Papier, mit all der hierzu erforderlichen Umständlichkeit ausführte. Ich ließ jede Seite sofort auf Stein abdrucken und in 100 Exemplaren abziehen, in der Hoffnung, von diesen Exemplaren einen zweckmäßigen Gebrauch für die schnelle Verbreitung meines Werkes machen zu können. Mochte diese Hoffnung nun in Erfüllung gehen oder nicht, jedenfalls war ich jetzt um 500 Taler, welche die Herstellung dieser Exemplare kostete, ärmer.

Die Fertigstellung der Partitur fiel dann auf den 13. 4. 1845.