Lohengrin

Zum Frageverbot

Elsa, die Tochter des verstorbenen Herzogs von Brabant, wird vom Grafen von Telramund, dem zweiten Manne am Hof, bedrängt, dass sie ihn zum Manne nähme. Dieser möchte durch die Heirat nun selber das Herzogtum übernehmen. Elsa jedoch weist ihn ab. Telramund sucht sich daraufhin eine andere Frau, – Ortrud, Radbods, des Friesenfürsten Sproß. Gemeinsam sinnen die beiden, wie der freie Thron errungen werden könnte.

Ortrud will gesehen haben, wie Elsa ihren Bruder, den eigentlichen Erben von Brabant, in einem Weiher ertränkt habe und der Graf führt nun Klage bei König Heinrich I. gegen Elsa.

Da nach dem Verhör aller Beteiligten Aussage gegen Aussage steht, ordnet der König einen Gotteskampf an. Die Wahrheit soll durch den Sieger offenbar werden. Elsa will, dass der Ritter, der ihr schon einmal erschienen ist, für sie kämpfe … und wirklich …

… nachdem der Schwanenritter Lohengrin, auf das flehentliche Verlangen Elsas hin, am Ufer der Schelde bei Antwerpen auf wunderbare Weise angelandet ist, kommt es zu einer merkwürdigen Begegnung zwischen den beiden. Gleichzeitig wird damit das zentrale Thema dieser Oper eingeleitet.

Lohengrin fragt sie, ob sie sich seinem Schutze anvertrauen möchte, und wenn er siege, ihn zum Gatten nehmen würde. Sie bejaht dies natürlich inniglichst. Lohengrin stellt eine damit verbundene Forderung:

Elsa, soll ich dein Gatte heißen,
soll Land und Leut‘ ich schirmen dir,
soll nichts mich wieder von dir reißen,
mußt eines du geloben mir:
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam‘ und Art!

Nach einer mehr halbbewussten Zustimmung Elsas, die nach ihrer Notlage nun in einem unbeschreiblichen Glücksgefühle sich befindet, wiederholt Lohengrin die Forderung unmissverständlich und nachdrücklich noch einmal.

Voller Innigkeit zu ihm aufblickend, antwortet sie:

Mein Schirm! Mein Engel! Mein Erlöser,
der fest an meine Unschuld glaubt!
Wie gäb‘ es Zweifels Schuld, die größer,
als die an dich den Glauben raubt?
Wie du mich schirmst in meiner Not,
so halt‘ in Treu‘ ich dein Gebot!

 Alle Beteiligten sind überwältigt von der zauberhaften Erscheinung Lohengrins, und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Wir wollen versuchen, die Beteiligten hin und wieder aus einer Sicht darzustellen, die das innerliche Gewebe des Stückes mit sichtbar werden läßt.

Die Macht des Zweifels, verkörpert durch Ortrud und Telramund werden durch die Niederlage des Grafen zunächst neutralisiert und ziehen sich zurück. Am Abend vor der Trauung und auch noch unmittelbar vor dem Münster am nächsten Tag versuchen die Beiden mit ihren finsteren Plänen die Glückseligkeit des Paares zu zerstören, indem sie versuchen, den überirdischen Glanz Lohengrins als Zauberei darzustellen und damit Zweifel an der Gottgesandtheit des Ritters in Elsa zu erwecken. Und überhaupt, wie könne Elsa jemandem vertrauen, den sie nicht einmal kennt, weder Stand noch Name.

Lohengrin stellt sich aber diesem Einfluß entgegen …

Zurück von ihr, Verfluchte!
Daß nie mein Auge je
euch wieder bei ihr seh‘!

… und Elsa dankt es ihm:

Mein Retter, der mir Heil gebracht!
Mein Held, in dem ich muß vergehn!
Hoch über alles Zweifels Macht
soll meine Liebe stehn.

Als der König mit dem Brautpaar die höchste Stufe erreicht, wendet sich Elsa in großer Ergriffenheit zu Lohengrin, dieser empfängt sie in seinen Armen. Aus dieser Umarmung blickt sie mit scheuer Besorgnis rechts von der Treppe hinab und gewahrt Ortrud, welche den Arm gegen sie erhebt, als halte sie sich des Sieges gewiß; Elsa wendet erschreckt ihr Gesicht ab. Vom König geführt, schreiten Lohengrin und Elsa dem Eingange des Münsters zu.

Nachdem das Paar den Trubel der Festlichkeiten hinter sich gelassen, sind sie im Brautgemach endlich das erste Mal unter sich, der Welt entronnen. Lohengrin fragt Elsa:

Elsa, mein Weib! Du süße, reine Braut!
Ob glücklich du, das sei mir jetzt vertraut!

Elsa, ganz in den Zauber Lohengrins verwoben, erwidert:

Wie wär‘ ich kalt, mich glücklich nur zu nennen,
besitz‘ ich aller Himmel Seligkeit!
Fühl‘ ich zu dir so süß mein Herz entbrennen
atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht …

… und weiter:

Ist dies nur Liebe? – Wie soll ich es nennen,
dies Wort, so unaussprechlich wonnevoll,
wie ach! dein Name – den ich nie darf kennen,
bei dem ich nie mein Höchstes nennen soll!

Zärtlich spricht Lohengrin ihren Namen: Elsa!

Etwas zögerlich stellt Elsa fest:

Wie süß mein Name deinem Mund entgleitet!

… und ein leiser Anklang von Zweifel läßt sie sagen:

Gönnst du des deinen holden Klang mir nicht?

Praktisch … fügt sie hinzu:

Nur, wenn zur Liebesstille wir geleitet,
sollst du gestatten, daß mein Mund ihn spricht.

Einsam, wenn niemand wacht;
nie sei der Welt er zu Gehör gebracht!

Lohengrin, sie ganz mit seinem Lichtglanz umfassend:

Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?
O wie so hold berauschen sie den Sinn!
Geheimnisvoll sie nahen durch die Lüfte,
fraglos geb‘ ihrem Zauber ich mich hin.

Etwas beschämt, sich an ihn schmiegend, klagt sie:

Ach, könnt‘ ich deiner wert erscheinen,
müßt‘ ich vor dir nicht bloß vergehn;

Elsa, im höchsten Liebesglücke erblüht, beklagt ihren eigenen Unwert? Wie kann das sein? Alles ist ihr gegeben! Soeben ist sie vermählt worden mit einem wunderbaren Ritter, den der ganze Hofstaat anhimmelt und sie ist die Tochter eines Herzogs. Die äußeren Verhältnisse bieten also kaum Anlass für eine solche Klage!

Ein klares Verständnis wird auf einer anderen Ebene zu suchen sein. Wenn wir uns selbst in einer ähnlichen Situation vorstellen, vielleicht an einem eigenen Festtage, zu dem viele Gäste eingetroffen sind, um uns zu ehren und zu beglückwünschen, … wie wäre uns dann zumute? Wären wir durch soviel Ehrenbezeigungen von nahestehenden Menschen, die nur unser Bestes im Sinn haben, etwa verstimmt? Wahrscheinlicher ist es wohl, dass wir eher auf „Wolke sieben“ schweben würden!

Der eben gezogene Vergleich basiert auf demselben Prinzip, nur wird eine ähnliche – abstrakt gesehen jedoch identische – Situation gegensätzlich erlebt. Vielleicht kann vorerst festgestellt werden, dass zwischen Lohengrin und Elsa ein Einfluss mitspielt, der in dem gezogenen Vergleich fehlt.

Es könnte angeführt werden, dass es natürlich daran liegt, dass Lohengrin sein Wesen nicht offenbaren will, und Elsa aufgrund dessen keine innerliche Verbindung zu ihm aufbauen kann. Genau das versucht sie nämlich:

könnt‘ ein Verdienst mich dir vereinen,
dürft‘ ich in Pein für dich mich sehn!
Wie du mich trafst vor schwerer Klage,
wüßte ich auch dich in Not;
daß mutvoll ich ein Mühen trage,
kennt‘ ich ein Sorgen, das dir droht!

Gemeinsam etwas schaffen; sich um den Anderen sorgen und ihn beschützen wollen – das sind vollkommen verständliche Beweggründe in der Seele eines liebenden Menschen. Elsa möchte, dass ihre Fähigkeit zu lieben, den Anderen zu unterstützen und in der Not zu helfen, angenommen werde. Und ist das nicht die vernünftige Basis des Zusammenlebens in dieser Welt des Auf und Ab, in der die äußere oder innere Not ein ständiger Begleiter ist? Wohl kaum einer wird das in Abrede stellen wollen!

Lohengrin ist jedoch ein Gott-Gesandter, der sich nicht so einfach in das irdische Lebensschema einfügen läßt. Als Weltenthobener ist er den Kräften, die hier auf der Erde regieren, nicht mehr Untertan. Sein Wesen ist erfüllt von Gotteskraft! Und Gotteskraft ist Liebe, ein „sich-verströmen-wollen“. Polaritäten sind ihm fremd, Ängste und Sorgen gibt es nicht in ihm, da er in einer ständigen Fülle lebt.

Er ist gesandt worden, einer bedrängten Seele beizustehen – bedrängt im absoluten Sinne, bedrängt von allen irdischen Kräften. Davon zeugt ihr verlangendes Gebet:

Einsam in trüben Tagen
hab‘ ich zu Gott gefleht,
des Herzens tiefstes Klagen
ergoß ich im Gebet.
Da drang aus meinem Stöhnen
ein Laut so klagevoll,
der zu gewalt’gem Tönen
weit in die Lüfte schwoll:
Ich hört‘ ihn fernhin hallen,
bis kaum mein Ohr er traf;
mein Aug‘ ist zugefallen,
ich sank in süßen Schlaf.

(Worauf ihr Lohengrin das erste mal im Traum erscheint)

Eine Seele, die diese Lebensnot kennt, ist reif, aus diesen Polaritäten gerettet zu werden und nur darum geht es hier.

Doch diese Not zu kennen, bedeutet noch nicht davon frei zu sein. Denn diese Kräfte, die den Menschen beherrschen, hat er selbst so geschaffen und genährt. Wie eigene Kinder wollen sie weiter gehegt und gepflegt werden. Und es sind mächtige Kräfte! Auf den Punkt gebracht bedeutet das: die Kräfte, die Lohengrin verströmt, nehmen den Kampf auf mit den irdischen Mächten in Elsa, der Seele.

Und so ringt Elsa einen Kampf, der in ihr ausgetragen wird, mal gewinnt die eine Seite die Oberhand, mal die andere. Anders kann die alchemische Verwandlung der Seele, Elsa, auch nicht vonstatten gehen. Wenn Elsa das Schlachtfeld nicht betreten würde, sich nicht einmischen würde, die Frage „nach seiner Art“ also nicht stellen würde, wäre kein Zweifel, wer siegen würde. Die „Frage stellen“ heißt ja, die göttlichen Liebeskräfte Lohengrins in die träge Materie hinabziehen zu wollen und damit ebenso dem irdischen Vibrationsschlüssel zu unterwerfen, in der die Seele gefangen liegt. Hilfe und damit Veränderung kann nur erfolgen, wenn den hohen göttlichen Vibrationen ein reiner – von irdischen Kräften unbefleckter – Raum im eigenen Herzen zur Verfügung gestellt wird, ohne selbst einzugreifen!

Sehen wir weiter, wie sich das Geschehen entwickelt …

Wär‘ das Geheimnis so geartet,
das aller Welt verschweigt dein Mund?
Vielleicht, daß Unheil dich erwartet,
würd‘ aller Welt es offen kund?
Wär‘ es so und dürft‘ ich’s wissen,
dürft‘ ich in meiner Macht es sehn,
durch keines Drohn sei mir’s entrissen,
für dich wollt‘ ich zu Tode gehn!

Es ist schon zu erkennen, dass es Elsa immer schwerer wird, eine harmonische Verwandlung zuzulassen. Der Wille des Geistes, Lohengrin, spiegelt sich in der Materie, in der gefallenen Seele, Elsa, und diese versteht auch, was der Geist will. Aber das Tragische daran ist, sie kann es nur nach der Qualität ihres Bewusstseins begreifen und eine dem entsprechende Tat folgen lassen. Gerade das Bewusstsein ist es, das verwandelt werden soll. Aus Sicht Elsas ein vollständiger Sterbeprozess. Sie will auch für ihn zu Tode gehen, aber nur, wenn sie ihn in ihrer Macht hätte.

Was wäre das jedoch für ein Tod? Diesen Tod ist sie schon viele Male gestorben, Inkarnation für Inkarnation! Es geht darum, wieder wirklich lebendig zu werden durch dauerhafte Verbindung mit dem Geist! Jede Inkarnation ist ein neuer Wettlauf um das Wahre Leben.

und weiter:

O mach mich stolz durch dein Vertrauen,
daß ich in Unwert nicht vergeh‘!
Laß dein Geheimnis mich erschauen,
daß, wer du bist, ich offen seh‘!

Der zunehmende gefühlte Unwert Elsas in der Strahlungskraft Lohengrins ist ein Zeichen dafür, dass der Prozess der Verwandlung fortschreitet. Gleichzeitig drängt es aber auch zu einer Entscheidung.

Meiner Treue
enthülle deines Adels Wert!
Woher du kamst, sag ohne Reue –
durch mich sei Schweigens Kraft bewährt!

Hier entsteht die erste ernsthafte Reibung mit Lohengrins Gebot, wie eine Rote Linie.

Höchstes Vertraun hast du mir schon zu danken,
da deinem Schwur ich Glauben gern gewährt;
wirst nimmer du vor dem Gebote wanken,
hoch über alle Fraun dünkst du mich wert!

Für das Gefühl von Unwert bei Elsa ist aus Sicht der göttlichen Liebeskraft kein Grund vorhanden. Wenn sie sich nur dauerhaft anvertrauen könnte, würde das von Kraft und Stärke zeugen, die Wenigen verliehen ist.

Lohengrin umgibt sie nochmals mit seiner ganzen Liebeskraft und sagt schließlich:

Dein Lieben muß mir hoch entgelten
für das, was ich um dich verließ;
kein Los in Gottes weiten Welten
wohl edler als das meine hieß.
Böt‘ mir der König seine Krone,
ich dürfte sie mit Recht verschmähn.
Das einz’ge, was mein Opfer lohne,
muß ich in deiner Lieb‘ ersehn!

Neben seiner Liebesfülle wirkt Lohengrin auch mit Kraft. Kraft soll emporziehen, soll anspornen und soll Einsicht in die Notwendigkeit erzeugen. Den Weg, den Elsa – die Seele – gehen muss, ist ein harter Weg voller Selbstentbehrung. Er kann nur erfolgreich gegangen werden, wenn sie der Realität ins Auge blickt, alles andere wäre Selbsttäuschung und würde letztendlich zu einem bösen Erwachen führen. Darum wird Lohengrin etwas nachdrücklicher mit seinen Worten.

Drum wolle stets den Zweifel meiden,
dein Lieben sei mein stolz Gewähr!
Denn nicht komm‘ ich aus Nacht und Leiden,
aus Glanz und Wonne komm‘ ich her!

Elsa reagiert, und sie muss reagieren, sie muss eine definitive Entscheidung treffen. Es ist hier der Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr bereit ist, nicht mehr in der Lage ist, standhaft zu bleiben. Sie wehrt sich mit allen Kräften gegen den eigenen Untergang, der doch einer Neugeburt, einer Auferstehung vorangehen muss.

Hilf Gott, was muß ich hören!
Welch Zeugnis gab dein Mund!
Du wolltest mich betören,
nun wird mir Jammer kund!
Das Los, dem du entronnen,
es war dein höchstes Glück;
du kamst zu mir aus Wonnen
und sehnest dich zurück!
Wie soll ich Ärmste glauben,
dir g’nüge meine Treu‘?
Ein Tag wird dich mir rauben
durch deiner Liebe Reu‘!

Es gibt einen Punkt in jedem Menschen, der hier auf Erden lebensnotwendig ist. Dieser mittelpunktsuchende Brennpunkt ist das Ich, das Ego. Als die Seele sich in grauer Vorzeit von Gott abwandte – und damit sündigte – fiel die Seele aus der Allgegenwärtigkeit in diese Selbstzentriertheit. Dieser unnatürliche Zustand kann nur durch eine Wiederverbindung mit dem Geist, mit Gott, gesühnt werden.

Das ist die Aufgabe von Elsa. Doch dieser Brennpunkt kann nicht anders, er muss sich bis zum Schluß verteidigen. Bis irgendwann sich soviel Erfahrungsreife angesammelt hat, dass auch der letzte Schritt ins Nichts gegangen werden kann.

Verzweifelt ringt Elsa um Lohengrins Liebe, sie will ihn nicht verlieren, sie will ihn nicht aufgeben. Es ist wie ein Fluch, sie kann nicht anders, als ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu versuchen, festzuhalten.

Soll ich die Tage zählen,
die du mir bleibest noch?
In Sorg‘ um dein Verweilen
verblüht die Wange mir –
dann wirst du mir enteilen,
im Elend bleib‘ ich hier!
Ach, dich an mich zu binden,
wie sollt‘ ich mächtig sein?
Voll Zauber ist dein Wesen,
durch Wunder kamst du her;
wie sollt‘ ich da genesen,
wo fänd‘ ich dein‘ Gewähr?

Es ist hier für eine suchende Seele des Betrachters nahezu unmöglich, die Beschränktheit dieses Egos im Hintergrund nicht zu spüren. Man möchte fast sagen: „Nun lass doch endlich los!“ Doch der entscheidende Moment, wo es noch möglich war, ist längst überschritten.

Nichts kann mir Ruhe geben,
dem Wahn mich nichts entreißt,
als – gelt‘ es auch mein Leben –
zu wissen, wer du seist! …

Unselig holder Mann,
hör, was ich dich muß fragen!
Den Namen sag mir an! …

Woher der Fahrt! …

WIE DEINE ART?!!

Der Selbsterhaltungstrieb hat sich durchgesetzt und dadurch hat sich das Ego von allem Druck befreit – … bis zu nächsten Mal !

Es gibt eine weitere Sage, die dasselbe Thema beinhaltet. Die Rede ist von „Zeus und Semele“.

Der Gott liebt ein menschliches Weib und naht sich ihr in menschlicher Gestalt. Die Liebende erfährt aber, daß sie den Geliebten nicht nach seiner Wirklichkeit erkenne, und verlangt nun, der Gatte solle sich ihr, in der vollen sinnlichen Erscheinung seines Wesens, kundgeben. Zeus weiß, daß sein wirklicher Anblick sie vernichten muß. Er selber leidet unter diesem Bewußtsein, unter dem Zwange, das Verlangen der Liebenden erfüllen zu müssen und sie damit zu verderben. Er vollzieht sein eigenes Todesurteil, wenn der Glanz seiner göttlichen Erscheinung die Geliebte vernichtet.

Was diese beiden Sagen eint, liegt auf der Hand: Ein Gott, etwas Göttliches, ein Abgesandter, kommt, offenbart sich in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, und es entsteht ein „Liebesverhältnis“ zu einem Weib. Das Verhältnis kann aber nur andauern, solange das Weib nicht eine bestimmte Grenze überschreitet, denn das würde zu einem Unglück führen. Die Grenze ist an dem Punkt erreicht, wo das Weib das Göttliche vollständig erkennen will, sich mit ihm vollumfänglich verbinden will.

Erkennen meint in diesem Zusammenhang natürlich keinen verstandesmäßigen Vorgang, sondern innerliche Erfahrung. Und hier liegt die Krux. Der Mensch mit seinem Sinnesorganismus, seinem Nervensystem usw. kann etwas Göttliches nicht erfahren, es ist bis auf die atomare Ebene hinunter schlichtweg unmöglich. Sein gesamtes System ist ausgelegt auf und entstanden aus dem irdischen Lebensquell. Diese zwei Lebensquellen, das Göttliche und das Irdische, haben einen zu großen Vibrationsunterschied, es sind zwei verschiedene Welten.

Einst lebte der Mensch aus dem Göttlichen Quell und war eins damit. Nachdem sich die Seele – als Mittlerin zwischen Geist und Körper – vom göttlichen Geist abwandte, degenerierte die einst heilige Offenbarungsform aus Geistfeuer und wurde zu einem rudimentären Restatom, aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähig. Der Geist versank nach und nach immer tiefer bis in unser heutiges Lebensgebiet.

Hier bildete sich eine neue Körperlichkeit, die dieses versunkene Atom in sich trägt und berufen ist, es wieder zum Leben zu erwecken. Das ist der unleugbare Ausgangspunkt einer jeden hier inkarnierten Seele. (hier erkennen wir auch uns selber wieder.)

Wenn also eine Seele soviel Erfahrungsreife in zahllosen Inkarnationen gesammelt hat, dass sie aus dem irdischen Lebensgebiet hinausverlangt, hat das Erwachen des Ursprünglichen Menschen begonnen und drückt sich durch dieses Verlangen aus, es ist ein Hilferuf des in uns versunkenen Gottes!

Auf dieses reine Verlangen reagieren überirdische Radiationen, die aber nur mit dem versunkenen Göttlichen im Menschen kompatibel sind, und wollen es wiedererschaffen, wenn das irdische Wesen es zulassen kann.

Wenn dieser irdische Anteil noch Chancen sieht, selbst zum Gott zu werden und diesen Prozess infolgedessen versucht zu forcieren und sich den Geist versucht untertan zu machen, wird es zu einem Unglück kommen.

Der irdische Lebensquell basiert auf einer bestimmten Feuerkonstante und ist die Grundlage des irdischen Bewusstseins. Wenn nun durch dieses Bewusstsein das himmlische Feuer forciert angezogen wird und so beide Feuer unkontrolliert aufeinandertreffen, würde das irdische System vernichtet werden.

Um den versunkenen Gott wieder auferstehen zu lassen, muss sich der Bauplan in dem Gottesfunken durch die göttlichen Radiationen entfalten können. Das wäre hier gegeben, wenn Elsa sich ganz an Lohengrin hingibt. Die Verwirklichung des Bauplanes ist – wie die Entfaltung eines Samenkornes – an die Zeit gebunden, darum wird von einem Pfad gesprochen, den der Sucher gehen muss. Es wird sich auf diesem Pfad eine neue – aus heiligen Baustoffen entstandene – Persönlichkeit formen, wenn … ja wenn der Prozess nicht entscheidend gestört wird.

Deswegen das Frageverbot. Lohengrin hat die heilige Pflicht, Elsa darauf hinzuweisen und im Ernstfall zu beschützen, also die Verbindung zu unterbrechen.